Bewegte Zeiten und hohe Volatilität
Viele Jahre gab es rund um das Thema Immobilien stets klare Richtungen. Kaufpreise erhöhten sich, wie auch Mieten, praktisch von Jahr zu Jahr. Gleichzeitig fielen die Zinsen auf immer neueste Tiefststände.
Ein Umfeld, das die Immobilienbranche boomen ließ. Der gesunkene Zins machte trotz der Preisentwicklungen für viele den Erwerb der eigenen vier Wände möglich, und für Kapitalanleger war auch eine kleinere Mietrendite immer noch besser als eine Null-Verzinsung oder gar das von dem einen oder anderen zu zahlende Verwahrentgelt.
Dass wir uns nicht missverstehen: Dass jeder Boom auch einmal zu Ende geht und dass gerade der Immobilienbereich stets schwankende Zyklen erlebt, zeigt schon ein Blick in die Vergangenheit. Es war und ist, gerade in dieser Branche, durchaus normal und war auch, wenn auch nicht vom exakten Zeitpunkt her, so doch zu erwarten.
Was die aktuelle Situation aber besonders macht, ist, dass wir tiefgreifende Veränderungen und Ereignisse haben, die in ihrer Kombination so noch nie aufgetreten sind und sicherlich viele von uns sich auch nicht vorstellen konnten.
Ein Krieg mitten in Europa, unterbrochene Lieferketten, explodierende Energiepreise, Inflationsraten, die in Richtung 10 % marschieren und ein Zinsanstieg praktisch binnen weniger Tage und Wochen, der die Immobilienfinanzierung von noch im letzten Jahr mit 0,5 oder 0,7 auf teilweise über 3 Prozent verteuert hat.
Materialengpässe und Material, das nur noch zu Tagespreisen abgegeben wird, Baukosten, die Projekte nahezu unkalkulierbar machen und Volkswirte, die selbst mit ihrer ganzen Breite an Modellen sich nicht mehr an eine Prognose für die nächsten Monate oder 1 – 2 Jahre heranwagen wollen.
Was bedeutet dies nun aber für jeden Einzelnen? Eines vorweg: Die Immobilienpreise im Neubau werden nicht entscheidend fallen. Höhere Inflation mit höheren Lohnforderungen heißt auch im Bau, bei dem traditionell viel Handarbeit ist, entsprechende Preissteigerungen. Ja, Baumaterialien dürften sich wieder auf ein normaleres Niveau hinzubewegen, doch beides zusammen könnte sich dann, so hoffen sicherlich die meisten, wenigstens neutralisieren. Von einem starken Rückgang der Baukosten ist jedoch nicht auszugehen. Und auch bei der zweiten Komponente, der Baulandverfügbarkeit, ist keine Entwarnung gegeben. Wer schon bisher sein Baugrundstück nicht bereit war, zu Top-Preisen zu verkaufen, warum sollte er nun zu günstigeren Preisen ein Grundstück abgeben? Gehen wir also nicht mehr von stark steigenden, aber zumindest von stagnierenden Neubaupreisen aus.
Alles nicht so schlimm? Doch, denn die Zinsen sind die Komponente, die es nun immer mehr Menschen unmöglich macht, entsprechendes Eigentum zu bilden. Wer für seine Wohnung 400.000,00 Euro aufnehmen muss, hat noch vor Jahren dafür Zinsen von unter 4.000,00 Euro jährlich gezahlt und die reine Zinsbelastung lag damit bei rund 330,00 Euro im Monat. Wer den gleichen Betrag jetzt zu 3 Prozent finanzieren muss, dessen Belastung liegt bei 12.000,00 Euro jährlich bzw. 1.000,00 Euro im Monat. Schlichtweg eine Verdreifachung!
Klar, dass sich viele nun doch stärker auf den Mietmarkt fokussieren, aber gerade dort wird es zunehmend eng. Was für den Privatmann gilt, gilt auch für professionelle Immobilieninvestoren. Deren Kosten sind nicht anders als bei Privatleuten genauso im Zinsbereich dramatisch gestiegen und die Bau- bzw. Herstellungskosten nicht gesunken. Also müssen die Mieten massiv steigen oder aber Projekte, und dies ist aktuell der Regelfall, geschoben oder auf Eis gelegt werden.
Weniger Wohnraum ist aber genau das Gegenteil von dem, was benötigt wird. Vor allem im bezahlbaren Segment werden die Auswirkungen der aktuellen Situation erheblich sein.
Hoffen wir, dass in absehbarer Zeit tendenziell wieder Normalität einkehrt und doch, ja, auch wenn es Sparer nicht gerne hören, die Zinsen wieder sinken. Wir brauchen Wohnraum, sei es in der Miete oder im Eigentum. Und wir brauchen, sei es bei Privatpersonen oder Unternehmen, Berechenbarkeit und Verlässlichkeit in der Entwicklung. Die Investition in eine Immobilie ist für alle eine sehr langfristige Sache und von daher müssen die langfristigen Perspektiven klar sein und an diesen fehlt es heute. Umso größer sind die Herausforderungen, vor denen wir alle gemeinsam stehen und die es zu meistern gilt.