Die Businesswochen für die Region BB starten am 14.10.2024

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Interview

Edgar Itt

Volker Siegle, Organisator der Businesswochen für die Region BB, im Gespräch mit Edgar Itt

Lieber Edgar, ich freue mich sehr, dass du meiner Einladung zur Auftaktveranstaltung am 14.10. folgst und dir die Zeit nimmst, nach Böblingen zu kommen. Ich bin dir zudem sehr dankbar, dass du mich beim Finale des Businesswochen-Awards als Moderator unterstützen wirst. Schon jetzt ein herzliches Dankeschön dafür. Wir werden drei Firmen mit besonders innovativen Geschäftsmodellen empfangen, und das Publikum wird über den Wettbewerb entscheiden. Mit dir habe ich jemanden an meiner Seite, der genau weiß, wie sich Wettbewerbe anfühlen. Als Olympiamedaillen-Gewinner kennst du das Gefühl, im Startblock zu stehen, und weißt, was es braucht, um den Wettkampf für sich zu entscheiden. Vielen Dank, dass du dir bereits im Vorfeld Zeit für ein Interview nimmst, damit wir in deine Gedankenwelt eintauchen können und voller Vorfreude die Auftaktveranstaltung besuchen.
Vielen Dank für die herzliche Begrüßung! Ich freue mich ebenfalls sehr, hier zu sein und bei der Auftaktveranstaltung am 14.10. mitwirken zu dürfen. Es ist mir eine Freude, dich beim Finale des Businesswochen-Awards zu unterstützen und die innovativen Ideen der drei Unternehmen zu sehen. Wettbewerbe haben für mich immer eine besondere Bedeutung, und ich bin gespannt, wie sich die Teilnehmer präsentieren werden. Ich hoffe, dass ich mit meinen Erfahrungen einige Einblicke geben kann. Danke auch für die Möglichkeit, im Vorfeld über meine Gedanken zu sprechen – ich freue mich auf das Gespräch!

Welche Rolle hat für Dich die Vorbereitungs-Phase auf einen Wettbewerb gespielt?

Gerade vor großen Wettkämpfen, war die Vorbereitungs-Phase von ganz besonderer Bedeutung: Zum Beispiel vor Olympia: Olympia sind die Spiele selbst, während die Olympiade die vier Jahre dazwischen beschreibt. In dieser Zeit, während der Vorbereitung, habe ich gelernt, mich immer wieder an äußere Einflüsse anzupassen.

An welche denkst Du da?
Man denkt an mögliche Verletzungen, man muss sich mit ihnen auseinandersetzen, da sie oft Teil der Vorbereitung sind. Ebenso denkt man an die Konkurrenten, ihre Vorbereitungen, ihre Zeiten und Trainingsmethoden. Der Grat ist oft schmal. Was ich damit meine: Im Fußball werden oft 20 Spieler für einen Kader nominiert, die miteinander verglichen werden. Beim Laufen sind es deutlich weniger – für eine Staffel zum Beispiel nur vier, und bei einem Einzelwettbewerb oft nur zwei. Zu meiner Zeit waren das beispielsweise Europameister Harald Schmid und ich. Um für eine solche Nominierung in Betracht gezogen zu werden, musst du alle möglichen Einflüsse berücksichtigen und darauf vorbereitet sein, entsprechende Lösungen zu finden. Stell dir zum Beispiel vor, plötzlich erscheint ein Phönix aus der Asche, mit dem du überhaupt nicht gerechnet hast.
„Es geht um Titel. Es hat wesentliche Folgen, wenn du nicht mehr Erster, sondern Vierter bist – das schmälert zwar nicht die Qualität deines Laufs, aber wirtschaftlich verändert sich vieles. Die Sponsoren reagieren anders, sie möchten die Verträge anpassen und mit dir ins Gespräch kommen. Es ist immer ein harter Kampf, nicht nur auf der Tartanbahn. Es geht um Zahlen, weil du von deinen Erfolgen lebst und damit zum Beispiel dein Studium, deine Versicherungen, die Miete und das Auto bezahlst. Wenn du nicht mehr im Topf der Gewinner bist, wird dir diese Grundlage entzogen, und viele Privilegien fallen weg. Bei Verletzungen ist dann alles aus.

Wann beginnt für Dich gedanklich der Wettkampf
Das hängt von der Region ab, in der der Wettkampf stattfindet, und in welcher Trainingsphase du dich befindest. Bestreitest Du zum Beispiel einen Trainingswettkampf (Wettkampf aus der vollen Trainings-/Aufbauphase heraus), ist es nicht so schlimm, wenn du nicht auf dem Siegertreppchen stehst – das kratzt eher am Ego. Bei großen Wettkämpfen spielt die Vorbereitungsphase jedoch eine wesentliche Rolle, zum Beispiel bei nationalen, europäischen Wettkämpfen oder eben bei Olympia.

Bitte beschreibe mir den Unterschied genauer
Bei nationalen Wettkämpfen bereitet man sich drei Tage physisch und psychisch vorher vor. Zum Beispiel war es bei den Olympischen Spielen in Seoul 1988 anders: Die Vorbereitungen begannen bereits zwei bis drei Wochen im Voraus, da die Zeitzone eine Rolle spielt. Wir wussten, wann unsere Vorläufe stattfinden würden, und ich habe nachts in Deutschland trainiert, um meinen Körper auf die Zeitverschiebung vorzubereiten. Es ging darum, antizyklisch auf den Übergang in die andere Zeitzone vorbereitet zu sein – viele Faktoren spielen dabei eine Rolle. Für solche bedeutende Wettkämpfe trainierte ich rechtzeitig meinen Biorhythmus.“

Wie ist es, in die Arena einzulaufen? Auf die Bühne zu gehen?
Es macht einen Unterschied, ob du auf der Tribüne sitzt oder im Stadion bist. Du versuchst, dich bei anderen großen Wettkämpfen wie beschrieben vorzubereiten. Allerdings kannst du die Beeinflussung durch die Atmosphäre im Stadion zu Hause im Wohnzimmer nicht simulieren. Zudem variiert die Atmosphäre von Stadion zu Stadion. Die Kulisse in Seoul mit 110.000 Menschen ist einfach überwältigend.

Wenn ich das so höre, dann erkenne ich viele Verbindungen zu Menschen, die außerhalb des Sports sich auf ihre Bühnen vorbereiten
Wenn du im Business auf die Bühne gehst, zum Beispiel für den Pitch, ist es ratsam, den Fokus zu behalten. So kannst du unvorhersehbare Einflüsse integrieren und dich von der Atmosphäre positiv beeinflussen lassen, während du die negativen Einflüsse wahrnimmst, dich aber nicht aus der Ruhe bringen lässt. Du behältst deinen Fokus auf die Rede. Du übst vor dem Spiegel, du übst während der Fahrt im Auto und im Umkleideraum für den Moment, in dem du den ersten Schritt auf die Bühne machst.
Es ist wie im Sport: Du spielst Eventualitäten im Voraus durch, wie möglichen Seiten- oder Rückenwind, Regen und Hitze. All das sollte gut durchdacht werden. So kannst du gewisse Hindernisse bei einer Rede antizipieren, wie zum Beispiel: Was mache ich, wenn ich einen Hänger habe? Wenn mir ein Satz fehlt oder ich improvisieren muss, schalte ich um und suche nicht verzweifelt nach diesem Satz.
Das Auditorium weiß ohnehin nicht, was man ursprünglich sagen wollte. Es geht einfach darum, dass du darauf eingestellt bist, wenn du auf die Bühne gehst. Es gibt immer ‚Engpassfaktoren‘ – du musst wissen, was du machst, wenn du diesen einen, für dich wichtigen Teil, nicht hinbekommst.

Kehren wir wieder zum Sport, zum Wettkampf, zurück. Wenn der Start geglückt ist - was passiert dann?
Es kommt auf die Disziplin an. Wenn du in einer Bahn-Disziplin bist, verlässt du deine Bahn nicht, und auf deiner Bahn darf niemand sein. In anderen Disziplinen kann das anders sein. Beim Laufen ist es so: Der eine ist hinter dir, der andere eventuell vorne. Bei 400 Metern spielt die Taktik eine entscheidende Rolle, und du musst fokussiert und hellwach sein, weil du auch auf deine Gegner und deren Taktik achtest. Du lässt das ablaufen, was du trainiert hast. Bei Läufen ab 800 Metern kannst du das nicht einfach so machen, weil die anderen Läufer auf deine Bahn kommen und du dich situativ darauf einstellen musst, was das für dich bedeutet. Du kannst den Vergleich zum Fußball heranziehen: Es macht einen Unterschied, ob du beispielsweise einen Elfmeter oder einen Freistoß schießen musst. Bei einem Freistoß musst du dich auf unvorhersehbare Situationen einlassen, die danach passieren können.

Und was ist das Erste, was man tut, wenn man die Ziellinie erreicht hat?
„Wenn du das Ziel erreicht hast, hast du immer den Blick auf die Uhr: Die Sieger schauen auf die Zieluhr, um zu sehen, welche Zeit sie erreicht haben. Die anderen hingegen schauen auf die Anzeigetafel, weil nach wenigen Sekunden die Platzierungen angezeigt werden. Die Platzierung hat Vorrang vor der gelaufenen Zeit.“

Gab es Rituale nach Wettkämpfen für Dich?
Ja, manchmal kannst du die Rituale einhalten, manchmal nicht. Der mehrfache Olympiasieger Carl Lewis benötigte nach einem Zieleinlauf immer erst Zeit für sich, um das zu verarbeiten, was ihm gelungen ist, bevor er „nach außen“ ging. Das kann ich nur jedem raten: Dieser vergangene Moment kommt nie wieder. Was ist z.B. 1990 in Rom mit unserem Bundestrainer Franz Beckenbauer passiert?
In einer Dokumentation wurde er nach diesem historischen Sieg befragt. Für uns bleibt das Bild unvergesslich, wie er alleine im Trubel des WM-Sieges über das Spielfeld schritt, während das ganze Stadion vor Begeisterung bebte. Er sagte: 'Ich wusste, dass dieser Moment nie wieder kommen wird. Ich werde ihn nicht mehr haben. Danach wird die Welt anders für mich und mein Umfeld sein. Nur auf dem Platz bin ich alleine. Alle im Team wussten, dass sie ihm diesen Moment lassen müssen. Danach war die Welt nicht mehr dieselbe...

Wie war für dich der Übergang von der Leichtathletik in die nächste Lebensphase
Ich war mit dem Studium noch nicht fertig, als ich mit dem Sport aufgehört habe. Die Phase nach dem Karriereende war thematisch stark durch das Studium geprägt. Der Übergang in den Beruf stellte eine Herausforderung dar, da ich nun selbst für meine Bewerbungen zuständig war. Davor wurde ich umworben, und das habe ich als großen Unterschied wahrgenommen – es war eine erhebliche Umstellung für mich.
Im Rahmen eines Motivationsvortrags, den ich gehalten habe, kam der Auftraggeber auf mich zu und sagte einen Satz, den ich nicht vergessen werde und den ich als sehr treffend empfunden habe: „Sie bekommen überall die Türen geöffnet, der Nachteil ist, man verlangt das Doppelte von Ihnen.“ Diese Erkenntnis hat mir sehr viel gebracht. Ich muss mich in meinem Job genauso vorbereiten wie damals als Leichtathlet.
Ich stehe mit den Titeln in der Türe des Raumes, den ich betrete und ich muss liefern.

Was machst Du heute? Erlebst Du ähnliche oder gleiche Gefühle, wie damals im Sport? Welche Leidenschaft erlebst Du heute?
Als ich 11 Jahre alt war, habe ich mir vorgenommen, einer der besten Sportler der Welt zu werden, um die Ehre meiner Mutter wiederherzustellen. Zehn Jahre später habe ich mein Ziel erreicht. Allerdings war dann eine Leere, denn ich habe mein grosses Ziel/meine Olympia erreicht. Es brauchte fast ein Jahr, bis ich mir habe neue Ziele setzen können.
Heute ist mein neues Olympia, für meinen 10-jährigen Sohn eine positive Zukunft aufzubauen.

Vom Spitzensportler und Olympiamedaillengewinner zum Diplom-Kaufmann und schließlich zum systemischen Coach und gefragten Keynote-Speaker - Edgar all das setzt Du in der Zwischenzeit um. Auf was legst Du besonders Wert?
Als Keynote Speaker in Firmen liegt mein Fokus heute auf den weichen Faktoren, wie Menschen miteinander umgehen und wie man Teams führt – insbesondere auf der Kommunikation.

Darin bist du ja ein absoluter Profi.
Wenn es um die Entwicklung der Persönlichkeit geht, das ist heute meine große Leidenschaft.

Herzlichen Dank, lieber Edgar, für das wirklich besondere Interview. Wir dürfen uns nun alle darauf freuen, dich persönlich am 14.10. zu sehen und zu erleben. Bis dahin wünsche ich dir alles Gute.